Ich liebe die Gelassenheit, die Ruhe, das Gleichgewicht. Kaum etwas erfüllt mich mit mehr Zufriedenheit, als mit Bedacht und Schritt für Schritt das zu tun, was notwendig ist. Das Kuriose daran: Ich erledige mehr in weniger Zeit, wenn ich langsamer arbeite. Wie kann das sein?
Da ich diese Beobachtung bei mir selbst gemacht habe, recherchierte ich, ob es anderen Menschen ähnlich geht. Als ich „langsamer Arbeiten“ in die Suchmaschine eingab, war ich zunächst überrascht, da es viele Einträge dazu gab, in denen Menschen Hilfe suchten, weil sie der Meinung sind, zu langsam zu arbeiten. Offenbar messen wir in unserer Gesellschaft Arbeitserfolg daran, wie schnell ein Mensch ist.
Auf der anderen Seite begegnete mit aber auch der Begriff „Slow Work“. Offenbar ist Slow Work ein Trend, der aus den USA zu uns herüberschwappt. Ich bin also nicht allein und offenbar beschäftigt sich selbst die Wissenschaft bereits mit dem Phänomen: Gail Kinman, Professor für Occupational Health Psychology an der Universität von Bedfordshire ist der Auffassung, dass langsames Arbeiten die Produktivität steigert, da wir unserem Körper damit die Möglichkeit zur Regeneration geben. Damit sinkt das allgemeine Stresslevel und unsere Konzentration und Kreativität steigen.
Meine Erfahrung deckt sich also mit der anderer Menschen. Doch warum hetzen wir dann so und was bedeutet langsam arbeiten oder Slow Work überhaupt? Spoiler: Trödeln ist damit nicht gemeint. Aber dazu später mehr.
Schafft man wirklich immer mehr, wenn man mehr macht?
In unserer Gesellschaft gilt die Maxime schneller, höher, weiter. Prahlt jemand mit seiner 60 Stunden Woche oder seinem prall gefüllten Überstundenkonto, erntet er in der Regel bewundernde Blicke. Schafft jemand seine Arbeit in der zur Verfügung stehenden Zeit, weil er vielleicht besonders konzentriert oder organisiert arbeitet, dann ist das keiner Erwähnung wert.
Diese Darstellung ist bewusst sehr spitz und trifft nicht auf alle Berufsfelder zu. In vielen Fällen hat man gar keine eigene Gestaltungsfreiheit über Prozesse sondern muss schlichtweg machen, was von oben vorgegeben wird. Ich möchte damit nur zeigen, wie verschoben unser Bild von Arbeit tatsächlich ist.
Geht es also darum, immer beschäftigt und auf Achse zu sein? Oder wäre es nicht erstrebenswerter nur die Dinge zu erledigen, die auch wirklich relevant sind um ein gestecktes Ziel zu erreichen? Ein Hamster ist in seinem Rad auch die ganze Zeit in Bewegung, kommt aber dennoch nicht vom Fleck.
3 Gründe, warum wir oft das Gefühl haben, nichts zu schaffen
Oft hört man von Menschen, dass sie wieder den ganzen Tag total viel Stress hatten, aber irgendwie das Gefühl haben, trotzdem nichts geschafft zu haben. Wie kommt es dazu?
1.Multitasking
Menschen, die multitaskingfähig sind, also mehrere Aufgaben parallel erledigen können, werden in der Arbeitswelt sehr geschätzt. Daher mühen wir uns ab, diesem Ideal zu entsprechen. Dabei ist es so ziemlich egal, welchen Beruf man hat. Die Anforderungen sind hoch und man hat für die einzelnen Tätigkeiten im Grunde keine Zeit mehr, weil schon die nächste Aufgabe wartet und drängelt. Also versuchen wir mehr oder weniger alles parallel zu erledigen
2. Prioritäten
Oft ist uns nicht klar, wo unsere Prioritäten liegen. Bzw. wenn es uns klar ist, achten wir nicht darauf. Prioritäten ordnen verschiedene Aufgabenfelder nach der Wichtigkeit, die wir Ihnen beimessen. In der Praxis wird jedoch häufig nicht nach der eigenen Priorität gehandelt.So kann es sein, dass die To Do Liste danach sortiert ist, welche Aufgabe zuerst hereingeflattert ist. Oder aber wir erledigen die Dinge zuerst, nach denen andere am lautesten schreien. Wir setzen in diesem Fall also die Prioritäten anderer vor unsere eigenen.
3.Perfektionismus
Eine weitere Falle ist übertriebener Perfektionismus. Oft verlieren wir uns in einer Tätigkeit, weil wir glauben, sie noch nicht gut genug erledigt zu haben. Für den letzten perfektionistischen Schliff geht jedoch in aller Regel die meiste Zeit drauf. Wir bekommen nichts fertig, weil es nie gut genug ist und haben deshalb das Gefühl, nichts so richtig erledigt zu bekommen.
5 Erfolgsfaktoren, wie auch Du zukünftig langsamer Arbeiten kannst
Aber wie können wir es nun besser hinbekommen und trotz langsamerer Arbeit mehr schaffen? Ich habe ja schon oben erwähnt, dass Slow Work nichts mit Trödeln zu tun hat. Vielmehr lassen sich folgende Erfolgsfaktoren ausmachen.
1. Weniger ist mehr
Minimalismus ist derzeit in aller Munde. Menschen möchten sich im Leben wieder auf die wirklich wichtigen Dinge beschränken. Das betrifft allerdings nicht nur Materielles, sondern auch Aufgaben, Termine, Freizeitaktivitäten und so weiter.
Der Grundgedanke des Minimalismus ist es, sämtliche Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen und zu ermitteln, ob diese denn überhaupt noch tauglich und notwendig sind.
Gerade bei Abläufen am Arbeitsplatz geraten wir in diese Gewohnheitsfalle. Da wird die Ablage zum Beispiel immer noch genauso gemacht, wir die Kollegin das mal vor 3 Jahren eingeführt hat. Die Kollegin ist schon lange nicht mehr im Unternehmen und der ganze Prozess wir bereits seit anderthalb Jahren IT gestützt erledigt, dennoch werden Monat für Monat Aktenstapel sortiert.
Dinge verändern sich ständigund Prozesse werden regelmäßig neu gestaltet. Dabei müssen wir aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. Es ist daher dringend notwendig, auch den routiniertesten Prozess regelmäßig zu hinterfragen. Auch kleine fünf Minuten Aufgaben müssen geprüft werden. So wird peu à peu mehr Zeit frei, um wichtige und sinnvolle Dinge konzentrierter und langsamer abzuarbeiten.
2. Nacheinander statt parallel
Auch wenn viel zu tun ist, es bringt meist wenig, mehrere Dinge parallel abzuarbeiten. Unser Gehirn ist nicht darauf ausgelegt, verschiedene komplexe Prozesse gleichzeitig zu verarbeiten. Das was wir als Multitasking empfinden bringt vielmehr unser Gehirn dazu, ständig zwischen den Aufgaben hin und her zu springen.
Vielleicht hast Du ja bei Dir selbst schon mal festgestellt, dassDu manchmal innehalten musst um Dich zu fragen, „Was wollte ich noch mal gerade machen?“. Das Gehirn konnte in diesem Fall die notwendigen Informationen nicht lange genug speichern. Denn alles was noch gebrauchst wird, kommt in einen Zwischenspeicher in unserem Gehirn und wartet darauf, wieder abgerufen zu werden. Die Speicherkapazität ist jedoch begrenzt.
Meist ist es also nur das Gefühl, schneller zu sein, wenn wir parallel mehrere anspruchsvolle Aufgaben erledigen. In Wirklichkeit wären wir effizienter, wenn wir einen Schritt nach dem anderen tun. Doch wie bestimmen wir die Reihenfolge? Hier kommen die vielbeschworenen Prioritäten ins Spiel.
3. Was ist Dir wichtig?
Immer wieder bekommen wir zu hören, wir sollten Prioritäten setzen. Was so einfach klingt, ist in der Praxis jedoch gar nicht so einfach. Es gibt schlichtweg zu viele Einflussfaktoren auf unsere Wahrnehmung.
Sei es ein klingelndes Telefon, der Kollege mit einer (seiner Meinung nach) dringlichen Aufgabe oder das wirklich dringende Bedürfnis doch mal für einen Moment die Toilette aufzusuchen.
Wo setzen wir also unsere Prioritäten? Lassen wir Kollegen oder das Telefon unseren Tagesablauf bestimmen, oder erlauben wir uns, unsere Bedürfnisse und Prioritäten vorne anzustellen? Im oben genannten Beispiel ist die Rangfolge eigentlich klar: Wer dringend zur Toilette muss, kann sich wohl kaum auf etwas anderes konzentrieren. Aber gehen wir immer auch sofort oder machen wir erst noch schnell etwas fertig?
Fakt ist, jeder ist selbst dafür verantwortlich, dass seine Arbeit gut und gewissenhaft erledigt wird. Also kann auch nur jeder selbst die richtigen Prioritäten setzen. Weder der Kollege noch der Anrufer können wissen, was noch auf unserer To Do Liste steht. Das wissen wir nur selbst.
Wir sollten daher jede Ablenkung von außen prüfen, ob sie aus unserer Sicht im Moment wirklich gerade Priorität hat, oder ob sie warten kann. Selbst das Telefon kann man für eine Zeit ausschalten, wenn man gerade an etwas Wichtigem dranbleiben muss. Das E-Mail Programm schließen, hilft übrigens auch. Es ist eine Ablenkung weniger und fördert die Konzentration ungemein. Ein oder zwei Mal am Tag Mails beantworten genügt in der Regel, vorausgesetzt natürlich Du arbeitest nicht gerade im Callcenter oder Kundensupport. 😉
4. Perfektionismus ade
Wir erreichen in der Regel 80% eines Ergebnisses in 20% der Zeit. Für die restlichen 20% der Aufgabenerfüllung nutzen wir 80% der Zeit. Eine Aufgabe ist also relativ schnell schon fast komplett erledigt. Wir halten uns dann sehr lange mit der Perfektionierung auf.
Wollen wir also mehrZeit haben, dann sollten wir unseren Perfektionismus zumindest ein Stück weit aufgeben. Schon klar, das klingt leichter als es getan ist. Aber vielleicht hilft Dir dazu folgender Gedanke:
Was ist die Ursache unseres Perfektionismus? Andere Menschen erkennen oft keinen Unterschied ob eine Sache sehr gut oder perfekt umgesetztwurde. Die Ansprüche haben meist nur wir selbst an uns. Oft steckt dahinter allerdings der Gedanke „Ich selbst bin nicht gut genug“. Also versuchen wir es immer noch besser zu machen.
Falls Du Dich darin erkennst, könntest Du zukünftig darauf achten, wann bei einer Aufgabe Dein Perfektionismus einsetzt. Macht es wirklich einen Unterschied ob die kleine Grafik nun hellgrün oder dunkelgrün ist? Ist es wichtig, ob wirklich jedes Komma an der richtigen Stelle sitzt? Interessiert es jemanden (außer Dir) ob der Bleistift parallel zur Tastatur liegt?
Wie sich Dein Perfektionismus ausdrückt, das kannst nur Du wissen. Wenn Du Dir aber immer wieder die Frage stellst, wie wichtig etwas objektiv gesehen wirklich ist, kannst Du Deine Perfektionismus-Zeitfresser entlarven und eliminieren. Damit fällt Zeitdruck weg, weil Du weniger zu tun hast.
5. Effiziensturbo durch Pausen
„Keine Zeit für Kaffeepause, ich habe zu tun.“, „Mittagessen? Ich habe mir einen Riegel am Automaten geholt.“ oder „Jetzt noch mal Pause? Ich habe doch in zwei Stunden Feierabend.“
Vielleicht hast Du den einen oder anderen Satz ja schon mal gehört oder ihn selbst gesagt. Damit wärst Du jedenfalls in guter Gesellschaft, denn Pausen machen ist nichts, wofür man bewundert wird.
Dabei verursacht Arbeiten ohne Pause, dass unser Gehirn müde wird. Die Konzentration und damit die Effizienz sinken und die Fehlerquote steigt. Damit nicht genug fühlen wir uns nach der Arbeit ausgelaugt und müde.
Machen wir aber regelmäßig kurze Pausen von ca. 5-10 Minuten, hat unser Gehirn Zeit sich zu regenerieren. Wir können konzentrierter weiterarbeiten und sind nach der Arbeit auch fitter. Unsere Kreativität wird gefördert und wir machen weniger Fehler.
Allein schon der Punkt „Fehler machen“ rechtfertigt die kurzen Pausen. Denn Fehler auszubügeln kostet bekanntlich unglaublich viel Zeit. Machen wir diese Fehler gar nicht erst, haben wir Zeit gewonnen und gleichzeitig steigt die Qualität unserer Arbeit.
Auch Pausen müssen geplant sein. Das Credo „Mache ich, wenn noch Zeit ist.“ funktioniert nur selten. Halte Dir also von vorne herein Zeitfenster für Deine Auszeiten frei.
Drei gute Gründe, das langsame Arbeiten mal auszuprobieren
Okay, wir können also mit Slow Work in weniger Zeit mehr erledigen. Aber warum sollten wir das überhaupt versuchen. Hier drei gute Gründe das langsame Arbeiten mal auszuprobieren:
1 Slow Work steigert Freude und Zufriedenheit beim Arbeiten
Gehen wir mal davon aus, dass die meisten Menschen ihren Job gerne erledigen. Allerdings kommt durch das allgemeine mehr, mehr und schneller, schneller die Freude an der Tätigkeit oft abhanden.
Das ist wie mit Schokoküssen: Einer ist lecker, zwei sind auch noch gut aber ab dem dritten beginnt der Magen zu rebellieren und uns wird schlecht. Setze hier gerne andere Zahlen ein, falls Du ein Schokokussjunkie bist. 😉
Wenn wir also nicht möchten, dass uns nach der Arbeit zum Kotzen ist, dann müssen wir das richtige Maß finden. Es lässt sich in der Regel bei allen Tätigkeiten optimieren und reduzieren, wir müssen es nur wollen und auch damit beginnen.
2 Mehr Wohlbefinden durch langsameres Arbeiten
Kennst Du das leere Gefühl im Kopf, wenn man nach einem langen, fordernden Arbeitstag Feierabend hat? Nun ist endlich Zeit für sich, Zeit für Familie und Freunde. Doch wozu ist überhaupt noch Energie da?
Genauso wie die Arbeit sind auch die Familie oder die Zeit für uns Teile unseres Lebens, die ihren Raum bekommen müssen. Wenn wir aber zu müde sind, um noch etwas mit dem Nachwuchs zu spielen oder unsere Kraft gerade noch für den Griff zur Fernbedienung reicht, statt unserem Hobby nachzugehen, dann ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten.
Arbeit darf uns fordern, sollte uns aber nicht auslaugen. Wohlbefinden erreichen wir, wenn wir für alle Lebensbereiche Energie haben. Also sollten wir alles daran setzen, unsere Arbeit in der Art und Weise zu erledigen, dass am Ende noch genug Energie für Anderes bleibt. Slow Work kann dazu beitragen.
3 Bessere Ergebnisse mit Slow Work
Wir möchten mit unserer Arbeit gute Ergebnisse erzielen. Fühlen wir uns aber immer wie Getriebene leidet die Kreativität. Wir arbeiten nur noch ab.
Tolle neue Ideen und Projekte werden aber selten unter Druck und Zwang zum Erfolg, sondern wenn man Zeit hat, seiner Kreativität und Schaffenskraft freien Lauf zu lassen.
Schließen möchte ich daher mit den Worten Astrid Lindgrens: Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.
Ich wünsche Dir einen entspannten Tag.
Katrin
Dieses Gedankenspiel machte Katrin
„Meist laufen wir in unserem Leben auf ausgetretenen Pfaden. Wir haben das Bewusstsein für unsere eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Träume verloren. Ich möchte Menschen inspirieren, ihren Alltag so zu gestalten, dass Raum bleibt, sich selbst zu spüren. So zeigt sich Schritt für Schritt der eigene Weg und es wächst der Mut diesen zu beschreiten.“