Das Geheimnis, gute Vorsätze umzusetzen ist, die eigenen Bedürfnisse zu kennen

Dies ist ein Gastbeitrag von Regina Waibel-Wang (Coach für Gewaltfreie Kommunikation)

Wie sieht es mit deinen guten Vorsätzen aus? Was hast du dir für 2020 vorgenommen? Jetzt, so Mitte bis Ende Januar, kann man schon mal Bilanz ziehen, oder?

Ich halte nicht so viel von guten Vorsätzen. Warum, davon später. Mein Mann dagegen hat Ende Dezember verkündet, dass er im neuen Jahr keine Gummibärchen mehr essen wolle. Er liebt Gummibärchen! Etwa am 1. Januar um 18 Uhr sagte meine Tochter: “Diese Tüte Gummibärchen war doch heute Morgen noch ganz voll! Ich habe noch kein einziges gegessen.”

So geht es häufig mit guten Vorsätzen. Man fasst sie aus gutem Grund. Beliebte Vorsätze haben häufig etwas mit Gesundheit zu tun, etwa Veganer werden, abnehmen oder mehr Sport treiben. Schließlich ist Gesundheit ein wichtiger Wert in unserer Gesellschaft und auch ein persönliches Bedürfnis, das den meisten sehr wichtig ist. Wie schnell die Gesundheit eingeschränkt werden kann, musste ich leider in diesem Jahr auch schon erfahren. Meine Hündin hat sich ein Bein ausgerenkt, aus heiterem Himmel beim Gassigehen.

Altes hinter sich lassen und Neues ausprobieren. Dafür steht traditionell der Jahreswechsel. So zieht man in der Zeit „zwischen den Jahren“ Bilanz und macht Pläne für das neue Jahr. Dabei ist der Januar meiner Meinung nach nicht besonders gut geeignet, um Veränderungen umzusetzen. Im Winter ist man ja eher auf Rückzug programmiert. Joggen auf feuchten Wegen in der Dunkelheit macht nicht gerade Spaß. Und eine Diät anfangen, wenn noch Reste von Weihnachtsplätzchen und Schokonikoläusen herumliegen, bedeutet sehr viel Willenskraft.

Genauso schnell wie die guten Vorsätze gefasst und aufgeschrieben sind, werden sie wieder über Bord geworfen. Ein Grund dafür ist, dass man nicht im Einklang mit seinem Herzen entscheidet. Dann sind die guten Vorsätze so etwas wie Kosmetik: „In diesem Jahr habe ich das nicht geschafft, aber nächstes Jahr packe ich es an!“ Es ist der Trieb, eben doch noch perfekt zu werden. Ordnung, Gewicht, Gesundheit, Schönheit: es gibt schließlich immer etwas zu optimieren. 

Ein weiterer Grund, warum gute Vorsätze so schnell aufgegeben werden ist, dass es verdammt schwer ist, sich an etwas Neues zu gewöhnen. Man hängt zu sehr an seinen alten Gewohnheiten. Schließlich gilt: wenn du Neues in deinem Leben etablieren willst, musst du es mindestens 28 Tage lang praktizieren. Erst dann wird es zur Gewohnheit und du denkst nicht mehr so viel darüber nach.

Wie kannst du etwas für dich tun und positive Veränderungen herbeiführen ohne dass es zum Kraftakt wird? Ich halte vier Faktoren für ausschlaggebend.

1. Erfülle dir wichtige Bedürfnisse

Der erste und wichtigste Punkt ist, dass du dir mit der geplanten Änderung deiner Gewohnheit oder wenn du etwas Neues lernst, bisher unerfüllte Bedürfnisse erfüllst.

Das Thema meiner Website „Sich Zeigen“ ist Gewaltfreie Kommunikation (GFK). In der GFK sind Bedürfnisse der Schlüssel zu deiner Seele. Sie sind die Motivation für alle deine Handlungen. Und sie sind deine ureigensten Herzenswünsche und Werte. Oft kennt man seine Bedürfnisse aber gar nicht. So ging es mir als ich die GFK kennengelernt habe.

Ich bin auf das Thema gestoßen, weil ich eine Lösung für meine Wutanfälle gesucht habe. Ich wollte verstehen, warum ich oft so hilflos reagierte, wie ich es tat. Nach der ersten Lektüre eines GFK-Buches, dachte ich nur „Wow, das ist es!“. Ich spürte sofort, dass ich etwas gefunden hatte, wonach ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte. Nun war mir klar, was hinter meinem Gefühl der Wut steckte. Es waren eine ganze Reihe von unerfüllten Bedürfnissen. Ich wünschte mir Klarheit, Gelassenheit und Einfachheit. Und das ist nur eine kleine Auswahl.

In meiner Begeisterung schien es mir einfach, die GFK zu lernen. Ich dachte, wenn ich nur die „richtigen“ Worte fände, würde alles besser und meldete mich zu einem Kurs an. Oberflächlich betrachtet ist GFK ja eine Kommunikations-Methode. Leider war GFK schwieriger als ich dachte, denn es geht eben nicht nur um Kommunikation, sondern um das Leben selbst. Ich war also an einem Punkt, wo ich gleich hätte aufgeben können.

Schwierig wurde es, weil ich mich zunächst besser kennenlernen musste. Bevor man im GFK-Prozess die richtigen Worte findet, muss man sich mit seinen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen auseinandersetzen. Es geht also um deine Innenwelt. Das kann oft schmerzlich sein. Trotzdem habe ich gemerkt, dass GFK der richtige Weg ist. Und daher bin ich dabeigeblieben.

2. Bleib dran

Das Dranbleiben ist denn auch mein zweiter wichtiger Punkt. Ich habe nicht nach dem Einführungsseminar aufgegeben. Denn ich habe schnell gemerkt, dass es mir besser geht, wenn ich mir erlaube, meine Gefühle zu spüren und die Bedürfnisse dahinter herausfinde. Wenn ich diese kenne, kann ich mir überlegen, wie ich sie mir erfüllen kann. Das entlastet enorm.

Bist du kurz davor einen guten Vorsatz aufzugeben? Dann finde heraus, welche Bedürfnisse du dir damit erfüllst und welche nicht. Welche Gedanken hast du, wenn du an deine neue Aktivität denkst? Etwa: „Oh nein, nicht schon wieder.“ „Das macht doch keinen Spaß.“ Oder auch: „Es tut so gut, wenn ich danach nach Hause komme.“ „Ich spüre mehr Energie.“ Jetzt kannst du abwägen: Führst du diese Aktivität weiter wie bisher, etwa zwei Mal in der Woche 30 Minuten joggen? Oder wählst du eine ganz andere Sportart oder suchst dir eine Laufgruppe?

3. Hol dir Hilfe

Wenn du beim Etablieren von Neuem Hilfe und Unterstützung hast, wird dir das Dranbleiben gelingen. Das wäre ein weiterer Punkt, damit es gelingen kann. Einen Kurs suchen, sich Gleichgesinnten anschließen, mit deiner Familie oder Freunden sprechen und sie bitten, dich zu unterstützen. All das könnest du tun, damit es dir leichter fällt. Im Zeitalter der Smartphones braucht es nicht unbedingt menschlicher Hilfe. Schließlich gibt es jede menge nützliche Apps, die dich an dein Vorhaben erinnern können und dir das Leben leichter machen.

4. Sei mitfühlend mit dir selbst

Wenn du dir ernsthaft vornimmst eine neue Gewohnheit aufzunehmen, dann gehe bei Rückfällen liebevoll mit dir um. Du bist kein Versager, weil dir Joggen noch nicht leichtfällt. Wenn du dich von deinem inneren Kritiker beschimpfen lässt, wirst du sicherlich scheitern. Denn keiner geht so hart mir dir ins Gericht wie du selbst. Mit keinem anderen bist du so ungerecht. Wenn du andere so beschimpfen würdest wie dich, hättest du bald keine Freunde mehr. Sich selbst genauso liebevoll und empathisch zu behandeln wie andere, die in Not sind, ist übrigens ein Ziel der GFK. Das ist wohl einer der Gründe, warum ich wesentlich gelassener durchs Leben gehe als früher.

Übrigens war GFK lernen kein guter Vorsatz. Denn Neues muss man ja nicht unbedingt am Jahresanfang beginnen. Oft kommen Impulse unverhofft und aus einer Richtung, von wo man es nicht erwartet. Du kannst jeden Tag etwas in deinem Leben ändern. Du wirst jeden Tag Bedürfnisse haben, die noch im Mangel sind. Es lohnt sich, jeden Tag gut für dich zu sorgen, so dass du im Einklang mit deinem Herzen handeln kannst. Dann wirst du widerstandfähiger und dich wird nicht jeder Zwischenfall enorm stressen und Energie rauben. Daher bin ich kein Freund guter Vorsätze. Letztlich kommt es auf die Art der Motivation an (siehe oben), ob du deine Vorsätze umsetzt oder nicht.

Diese Gedanken machte sich Regina Waibel-Wang als Gastautorin für lib-elle

Regina Waibel-Wangs Thema ist Gewaltfreie Kommunikation. Und darum dreht sich alles auf ihrer Website „Sich Zeigen“.

Sie zeigt Menschen, wie sie schwierige (Kommunikations-) Situationen in Win-Win-Situationen verwandeln können. Denn Konflikte können mit den Mitteln der GFK so gelöst werden, dass die Bedürfnisse von allen Beteiligten erfüllt werden. Das schafft Verbindung, Wertschätzung und Klarheit. Im Coaching geht sie mit ihren Kundinnen die Schritte der Gewaltfreien Kommunikation. Dabei lässt sich ein konkreter Konflikt lösen. Gleichzeitig erhält man Impulse, um seine Denkweise zu ändern. Es geht darum, gewohnte Kommunikationsmuster aufzudecken und an sich zu arbeiten.


lib-elle bittet jeden regelmäßig Experten als Gastoutoren ihre Gedanken zu einem bestimmten Thema zu äußern. Regina schrieb zuThema “Gute Vorsätze? Wie Veränderung wirklich gelingt!”. Wenn Du auch mal einen Gastbeitrag für uns verfassen möchtest, melde Dich gerne.

Dieses Gedankenspiel machte Katrin

“Meist laufen wir in unserem Leben auf ausgetretenen Pfaden. Wir haben das Bewusstsein für unsere eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Träume verloren. Ich möchte Menschen inspirieren, ihren Alltag so zu gestalten, dass Raum bleibt, sich selbst zu spüren. So zeigt sich Schritt für Schritt der eigene Weg und es wächst der Mut diesen zu beschreiten.”